Branchenstudie der Fahrradwirtschaft
2019
Studie belegt wirtschaftliche Bedeutung
Unternehmen, Erwerbstätige & Umsatz
Die Fahrradwirtschaft hat sich in den letzten 10 Jahren ökonomisch sehr stark entwickelt. Umsatztreiber hierbei sind nicht nur E-Bikes, Cargobikes und eine beeindruckende Qualitätsentwicklung aller Segmente, sondern auch innovative Dienstleistungen sowie neue Vertriebsformen. Ein für den Radverkehr positives gesellschaftlichen Umfeld hat zusätzlich dazu beigetragen, dass das Radfahren in Deutschland – gleich ob im Alltag oder in der Freizeit und im Urlaub – so populär geworden ist wie lange nicht. Dies hat zu einem erheblichen Wachstum der Branche geführt und zum Aufbau von Beschäftigung. Die Verbände der Fahrradwirtschaft haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und das Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Studie zur Fahrradwirtschaft zu beauftragen.

Branchenstudie Fahrradwirtschaft in Deutschland: Unternehmen, Erwerbstätige, Umsatz
Noch nie sind die Zahlen der deutschen Fahrradwirtschaft so detailliert auf wissenschaftlicher Basis erhoben worden, wie in der Studie des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und dem Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule. Die im Dezember 2020 fertiggestellte Studie bietet auf 38 Seiten umfangreiches Zahlenmaterial und eine Vielzahl von Hinter-grundinformationen und ist damit das bislang umfassendste Kompendium zur Fahrradwirtschaft in Deutschland. Die wichtigsten Ergebnisse haben wir hier zusammengefasst.
In der Fahrradwirtschaft arbeiteten in Deutschland im Jahr 2019 ca. 281.000 sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte und Selbstständige. Der gesamte steuerbare Umsatz lag bereits im Jahr 2018 bei ca. 37,7 Milliarden Euro. Die Studie zeigt detailliert ein starkes Wachstum bei der Zahl der Beschäftigten und bei den Umsätzen. Allein in den drei Kernbereichen Herstellung, Handel und Dienstleistungen (Sharing/Verleih und Leasing) stieg die Zahl der Beschäftigten in fünf Jahren (2014- 2019) im Mittel um 20 %, der Umsatz in fünf Jahren (2013 – 2018) gemittelt um 55 %.
Die hohe Dynamik wird noch deutlicher, wenn man die Umsätze in den Kernbereichen der Fahrrad-wirtschaft betrachtet:
- Im oben genannten Zeitraum ist der Umsatz in der Herstellung um 46 % auf 6,9 Mrd. Euro gestiegen.
- der Handel verzeichnet ein Plus von 55 % auf 16,7 Mrd. Euro
- und der Bereich Dienstleistungen wächst im Untersuchungszeitraum um satte 608 % auf 560 Mio. Euro, er dürfte heute deutlich höher liegen.
- In der Summe stehen die Kernbereiche für 66.000 Arbeitsplätze* und für einen (steuerbarer) Umsatz von 24,2 Mrd. Euro.
Gut entwickelt hat sich auch der Fahrradtourismus. Die Studie ermittelt anhand der vorliegenden Zahlen ein Äquivalent von 204.000 Beschäftigten für 2019 und einen Umsatz von 11,59 Mrd. Euro für das Jahr 2018. Eine ältere Studie für 2009 ging von 186.000 Beschäftigten aus. Wichtig: Gerade in strukturschwachen Regionen kann der Fahrradtourismus erfahrungsgemäß eine große Rolle für die regionale Wirtschaft spielen. Eng verknüpft mit den Kernbereichen und dem Tourismus sind vor- und nachgelagerte Teilbranchen der Wertschöpfungskette. Hierzu zählen u. a. Infrastruktur, Verwaltung, Stadt- und Verkehrsplanung, Aus- und Weiterbildung, Fachmedien und Informationsarbeit und weitere Leistungen zum Beispiel beim Ladenbau, in der Logistik etc. Hier verzeichnet die Studie 11.000 Beschäftigte* und 1,9 Mrd. Euro Umsatz.
EINORDNUNG
Experten aus der Wirtschaft und der Politik weisen immer wieder auf die vielfach unterschätzte Bedeutung von zukunftsweisenden Branchen hin. Die ermittelten Zahlen für die Fahrradwirtschaft belegen eindrucksvoll die hohe wirtschaftliche Bedeutung und das dynamische Wachstum – ohne Subventionen und mit nur marginalen Folgekosten. Zum Vergleich: › Zahl der Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie 2019: 832.000 › Zahl der Beschäftigten in der Bahnbranche einschließlich Gleisbau 2019: 269.000
Quellen: BMWi und Allianz pro Schiene
ZUR EINORDNUNG DER ERGEBNISSE
Die Kernbereiche der Fahrradwirtschaft entwickelten sich vor dem Hintergrund einer insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland bis 2019 sogar dynamischer als das deutsche Mittel. Auch in der Pandemie-Zeit ist die Nachfrage weiter gestiegen. Lockdown bedingte Umsatzrückgänge wurden durch Nachholeffekte mehr als ausgeglichen. Bemerkenswert: 2019 war das erste Jahr, in dem in Deutschland mehr E-Bikes als dieselbetriebene Pkw verkauft wurden. Die Elektrifizierung des deutschen Fahrzeugmarktes beginnt damit auf zwei Rädern.
HERSTELLUNG
Rahmen und andere Hauptkomponenten werden meist in Asien hergestellt und die Fahrräder / E-Bikes in der EU montiert. Zur Herstellung zählen auch Komponenten, Zubehör und spezielle Bekleidung. Insgesamt sind alle Bereiche Wachstumsbranchen. Die Anzahl der Beschäftigten im verarbeitenden Fahrradgewerbe ist im Vergleich der Messzeitpunkte März 2014 und März 2019 um etwa 2.800 auf fast 21.000 gestiegen, die Umsätze im Zeitraum 2013 bis 2018 um 46 % von 4,7 Mrd. Euro auf 6,9 Mrd. Euro.
HANDEL
Mehr als vier Millionen neue Fahrräder (inkl. E-Bikes) werden in Deutschland verkauft, bei aktuell deutlich steigender Tendenz. Die Gesamtflotte liegt bei etwa 77 Millionen Stück. Das Wachstum von 20 % in der Beschäftigung und 55 % im Umsatz des Handels und insgesamt, bezogen auf die Mess-zeiträume erklärt sich vor allem durch den steigenden Absatz an E-Bikes. Gestiegen ist auch die Nachfrage nach Ersatzteilen, Zubehör, Bekleidung und Accessoires. Im Einzelhandel dominiert der stationäre Fachhandel. Ein weiterer Umsatztreiber und wichtiger Bestandteil des Fachhandelsangebots ist der Werkstattbereich mit Services und Reparaturen.
DIENSTLEISTUNGEN
In den 2010er-Jahren hat sich Bikesharing in Großstädten stetig weiterentwickelt und ist inzwischen in nahezu allen Metropolen etabliert, oftmals kommen neuerdings auch E-Bikes und Cargobikes zum Angebot hinzu. Äußerst dynamisch entwickelt sich der Bereich Dienstradleasing seit seiner Ein-führung 2012. So können inzwischen Millionen Beschäftigte ein Rad leasen und es privat nutzen. Hohe Durchschnittspreise machen den Markt zu einem starken Wachstumstreiber. Die Anzahl der in Deutschland geleasten Fahrräder und E-Bikes hat sich nach Schätzungen des BVZF zwischen 2017 von 53.000 und 2019 auf über 200.000 vervierfacht. Für das Jahr 2020 rechnet der BVZF mit über 340.000 Stück. Mit dem Leasing wächst auch ein Markt für „Secondhand“-Räder. Hinzu kommen zahlreiche junge Anbieter von fahrradnahen Services wie Routing, Tracking, Versicherungen und Beratungs-leistungen. Die in der Studie aufgeführten Umsatz- und Beschäftigungszahlen für 2018 bzw. 2019 sind daher eine Momentaufnahme, die heute schon bei weitem übertroffen sein dürfte.
Ausblick: hohe Dynamik für die Zukunft zu erwarten
- Zu beobachten ist ein Trend zur verstärkten Nutzung von Fahrrädern und E-Bikes für Arbeitswege und in der Freizeit.
- Der Fakt, dass das steuerliche Einsparpotenzial mit dem Preis des Fahrrads, bzw. E-Bikes steigt, ist mitentscheidend für die rasante Entwicklung von Umsatz und Beschäftigung im Segment Leasing und insgesamt für die weitere hohe Verbreitung von E-Bikes.
- Große Potenziale gibt es künftig vor allem auch bei E-Cargobikes für die gewerbliche und private Nutzung.
- Insgesamt ergeben sich damit für die gesamte Fahrradwirtschaft neue Chancen für ein weiteres dynamisches Wachstum bei Umsatz und Beschäftigung.
Dateidownloads:
Fazit der Verbände
MOBILITÄTSWENDE:
Radverkehrsförderung geht nicht ohne Auswirkungen auf andere Verkehrsträger. Der öffentliche Raum
muss neu geordnet („Mehr Platz fürs Rad“), die Prioritäten neu gesetzt werden (Radschnellwege, Fahrradstraßen, Komfort-Radwege). Innerorts muss die Differenzgeschwindigkeit verschiedener Verkehrsträger
verringert und damit die Sicherheit erhöht werden. Die Fahrradwirtschaft erwartet von den politischen
Entscheidern konsequentes und wirksames Handeln, um die Mobilitätswende zügig voranzubringen.
Ziel sind lebenswerte Städte mit einem leistungsfähigen und klimafreundlichen Verkehrssystem.
WACHSTUMSPOTENZIAL:
Die Studie macht deutlich, dass die Fahrradwirtschaft stark im Aufwind ist. Es steht zu erwarten, dass
sich der Boom der Branche fortsetzt und dass auch Beschäftigung in Deutschland weiter aufgebaut
wird. Die Wertschöpfung und das Steigerungspotenzial der Branchen ist enorm –von Herstellung und
Fachhandel bis hin zu Dienstleistungen wie Leasing oder auch Tourismus
WIRTSCHAFTSPOLITISCHE BEDEUTUNG:
Die Förderung des Radverkehrs liegt nicht nur in klimapolitischem, umwelt- und gesundheitspolitischem
und auch nicht nur in verkehrspolitischem Interesse, sondern Fahrräder und E-Bikes haben eine erhebliche
wirtschaftspolitische Bedeutung!
RESILIENZ:
Der Aufbau krisenfester Lieferketten ist auch für die Fahrradwirtschaft wichtig, insbesondere vor dem
Hintergrund des großen Marktpotenzials und dynamischen Wachstums. Insofern erwartet die Fahrradwirtschaft eine Wirtschaftspolitik, die die Branche hierzulande als Wachstumsfaktor fördert (z. B. im Rahmen
der E-Mobilität) und dabei die nationale und europäische Wertschöpfung besonders im Blick hat.
INFRASTRUKTUR:
Es stehen mittlerweile nicht unerhebliche finanzielle Mittel für die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur bereit, aber es hapert nach wie vor an der Umsetzung. Die Fahrradwirtschaft fordert hier von
Politik und Verwaltung eine deutlich höhere Dynamik als bisher. Knowhow-Transfer und der gezielte
Aufbau kommunaler Kompetenzen sind hier wichtige Schritte.